Wann haben wir aufgehört hinzuschauen?

Wann haben wir aufgehört hinzuschauen?

Der Auslöser für diesen Impulsinhalt war eine alltägliche Situation. Es war ein Krimi und die Frage einer Mutter, die mich getriggert und bis heute nachdenklich gemacht hat. Die Geschichte ist einfach: Ihre Tochter wurde ermordet. Im Zuge der Ermittlungen wurde aufgedeckt, dass sie ein Doppelleben führte, von dem die Mutter keine Ahnung hatte. Jede neue Enthüllung machte der Mutter deutlich, dass das Bild, das sie von ihrer Tochter hatte, nicht der Realität entsprach. Sie resümierte, dass sie sich sehr weit von ihr entfernt hatte, ohne es jedoch zu merken. Zu sehr war sie mit sich beschäftigt. Ihre traurige Erkenntnis fasste sie in dieser Frage zusammen: „Wann habe ich aufgehört hinzuschauen?

In unserem Sparring mit Geschäftsführern und Führungskräften erleben wir häufig ähnliche Reaktionen. Es handelt sich um das Gefühl der Ohnmacht und infolge der Resignation. Die Problematik verschärft und zeigt sich auf zwei Ebenen:

  1. Auf der persönlichen Ebene durchzunehmende Unzufriedenheit mit sich und anderen.
  2. Und der betrieblichen Ebene, weil erlebt wird, wie Zeit und Geld verschwendet oder gar verbrannt und dem Betrieb Schaden zugefügt wird.

Häufige (scheinbar banale) Themen sind:

  • Sauberkeit und Ordnung in Büro und Lager.
  • Umgang mit Kunden und deren Anforderungen.
  • Bestimmte Verhaltensweisen, die das Team stören.
  • Interne Konflikte oder Streitereien.

Aus Selbstschutz wird es zur Angewohnheit darüber hinwegzusehen. Man ist müde, will seine Nerven schonen oder den kraftraubenden Diskussionen, die nirgends hinführen, aus dem Weg gehen. Dennoch rumort es innerlich, und schließlich kommt die Unzufriedenheit plötzlich und unerwartet an die Oberfläche. Wir vergleichen es gerne mit einem Vulkanausbruch: Man spürt im Vorfeld, das etwas im Gange ist, ignoriert es jedoch aus Gewohnheit, weil bisher nichts passiert ist. Dann bricht es heraus – meist in den unpassendsten Momenten. Dann trifft es die falschen Personen, sie fühlen sich verletzt und ziehen sich zurück. Die Unbeteiligten resümieren aus sicherer Entfernung: „Tja, unser Chef, erst sieht er nicht hin und dann flippt er aus. Ist halt ein Choleriker.“

Aus menschlicher Sicht ist das Verhalten aller verständlich und nachvollziehbar. Den Vorgesetzten wie den direkt Betroffenen gegenüber ist es jedoch unfair, weil die Ursache des Problems nicht durch sie direkt verursacht wurden, sondern in der Organisation und Kultur liegen. Hinterfragt man die Folgen auf die Stimmung des Betriebes und die Kosten für Kunden und Mitarbeitende, wird schnell klar, dass eine Veränderung unumgänglich ist.

Die Ursachen liegen unterhalb der Oberfläche des sichtbaren Verhaltens. Es geht um das „Warum verhält man sich so?“ Diese Frage führt zu den Werten. Wenn einer der Chef-Werte „Sauberkeit und Ordnung“ lautet und er ihn permanent unterdrückt, begeht er Verrat an sich selbst, indem er sein Bedürfnis nach Ordnung missachtet. Dieses Bedürfnis löst sich deshalb aber nicht in Luft auf.

Hat ein Mitarbeiter dagegen Werte wie „Freiheit“ oder „Kreativität“, muss es zum Wertekonflikt kommen. Die direkte Auseinandersetzung erfolgt unglücklicherweise auf persönlicher Ebene, weil ein anderer, für beide Parteien übergeordneter Bezugspunkt wie Unternehmensziele, Betriebsprinzipien oder Leitlinien fehlen.

Deshalb werden solche Führungswerkzeuge dringend benötigt, sie stehen über allem und jedem, weil sie nur einem Ziel dienen: Der Ausrichtung auf den Kunden, seiner Zufriedenheit und dem Überleben des Unternehmens oder Handwerksbetriebs.

Diese 4 Tipps helfen das Thema kurzfristig anzugehen:

  1. Klarheit schaffen
    Nehmen Sie sich Zeit, über Dinge nachzudenken, die sie verändern wollen. Akzeptieren Sie, dass Veränderungen ihre Zeit brauchen. Besonders, wenn es um die Veränderung menschlichen Verhaltens geht. Erstellen Sie eine Tabelle und listen Sie alle Themen auf, die Ihnen missfallen. Je nach Größe Ihres Betriebes schaffen Sie Kategorien. Z. B.: Lager; Produktion; Werkstatt; Verkaufsräume etc.

  2. Priorisieren
    Fügen Sie eine Spalte am Ende der Tabelle mit dem Titel "kostet Zeit oder Geld" ein. Dann bewerten Sie Einträge auf einer Skala 1-8 (1 = kaum Auswirkungen / 8 = große Auswirkungen = Kostet unvertretbar viel Zeit oder Geld). Sortieren sie anschließend die Tabelle nach den ersten 4 Themen, die geändert werden müssen. Sofern es Vertrauenspersonen im Betrieb sprechen sie mit ihnen, holen Sie sich Feedback. 

  3. Vorbereitung Kommunikation
    Erstellen Sie eine Hochrechnung über den monatlichen oder jährlichen Verlust. Bedenken Sie, dass auch die Mitarbeiter für diese Tatsache Verantwortung tragen. Planen Sie einen Termin und entsprechende Zeit ein und erläutern Sie die eine Tatsache, die verändert werden muss. Laden Sie entsprechend den betroffenen Bereiche oder Kategorien (Pos. 1) verantwortliche Personen ein. Wenn Sie einen Kleinbebetrieb führen, laden Sie eine oder zwei Personen ein, die bereits mehr Verantwortung tragen.

  4. Durchführung des Termins
    Erläutern Sie den Auslöser und das Ergebnis Ihrer Analyse und die Absicht der Veränderung. Laden Sie alle Teilnehmer dazu ein, Maßnahmen auszuarbeiten, die das Problem dauerhaft lösen. Sammeln Sie die Ideen und bewerten sie die Wirkung. Fragen Sie: Welche Idee bringt die größte Wirkung in kurzer Zeit. Dann beschließen Sie die Umsetzung mit den Teilnehmern und den Termin zur ersten Fortschrittskontrolle.
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